Kennen Sie Chesley Sullenberger? Wenn nicht, dann sollten Sie ihn kennenlernen. Berühmt wurde er für seine Notwasserung eines Airbus A320 am Hudson River im Jahr 2009. Noch berühmter wurde er durch den über dieses Ereignis gedrehten Kinofilm, in dem er von Tom Hanks verkörpert wird.
Die entscheidende Szene spielt sich gleich am Anfang ab. Das Flugzeug startet in La Guardia und bald nach dem Start kollidiert das Flugzeug mit einem Vogelschwarm. Beide Triebwerke fallen aus. Während ihn die Flugsicherung zurück nach La Guardia bzw. alternativ nach Teterboro schicken wollte, war „Sully“ der Meinung, dass sich das nicht ausgehen würde, und entschied sich, das Flugzeug am Hudson River notzuwassern. Das gelang. Rund 150 Passagiere und Crewmitglieder konnten das Flugzeug nahezu unverletzt verlassen. Während Sully anfangs als Held gefeiert wurde, hegte die Flugaufsichtsbehörde Zweifel. Sie warf Sully vor, dass eine Rückkehr nach La Guardia theoretisch möglich gewesen wäre. Zumindest die Flugsimulatoren und theoretischen Modelle sagten das aus. Somit gefährdete er unnötigerweise Menschenleben. In einem dramatischen Hearing konnte Sully nachweisen, dass eine Rückkehr eben nur theoretisch möglich gewesen wäre und das Manöver von keinem Piloten der Erde erfolgreich hätte absolviert werden können.
Souverän wie Sully! Was können wir aus dieser Geschichte für die Arbeit an unseren Unternehmen lernen?
Die Psychologie unterscheidet vier Stufen der Kompetenzentwicklung:
Stufe 1 – Die unbewusste Inkompetenz: Wir verstehen nicht, worum es geht, und können die Konsequenzen unseres Handelns nicht abschätzen. Das ist uns aber nicht bewusst. Wir glauben, dass wir uns auskennen, tun es aber nicht. Mit dem Mut des Unwissenden stürzen wir uns in eine Aktivität, die wir nicht beherrschen. Dunning-Kruger-Effekt wird das genannt.
Stufe 2 – Die bewusste Inkompetenz: Uns fällt zumindest schon auf, dass wir zu wenig wissen oder zu wenig Erfahrung haben. Unsere Defizite können wir aber noch nicht benennen oder beschreiben. Unser Handeln können wir in dieser Phase noch nicht (alleine) analysieren.
Stufe 3 – Die bewusste Kompetenz: In dieser Phase wissen wir schon, wo wir hingreifen müssen und wie wir Dinge anpacken müssen. Es erfordert aber noch einen hohen Grad an Aufmerksamkeit und Konzentration. Wir sind nun schon in der Lage, unsere Handlungen zu analysieren.
Stufe 4 – Die unbewusste Kompetenz: Jahrelange Erfahrung und Übung hat uns in die Lage versetzt, aus dem Bauch Entscheidungen zu treffen. Handlungen gehen so leicht von der Hand, dass sie uns gar nicht mehr auffallen. Oft sind wir nicht einmal mehr in der Lage, unsere Handlugen zu erklären.
Aus dieser Stufe 4 heraus handelte Sully, als er sich den theoretischen Modellen widersetzte, seinem Bauchgefühl folgte und den Flieger sicher im Hudson River landete.
Auf unseren geschäftlichen Alltag übertragen heißt das, dass wir uns an die Stufen des schnellen Lernens halten: planen – testen – REFLEKTIEREN – wieder planen – wieder testen – WIEDER REFLEKTIEREN … So erarbeiten wir uns Thema für Thema, Schritt für Schritt in Stufe 4 der Kompetenz hinauf und verbessern so die Qualität unserer Entscheidungen.
Siehe auch:
Eine Frage der Robustheit
In welchen Bereichen haben Sie bereits eine „Meisterschaft“ erreicht, die Sie aus dem Bauch heraus handeln lässt und Sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gute und hilfreiche Entscheidungen treffen lässt, oder Sie schnell erkennen lässt, dass eine Entscheidung nicht hilfreich war und Sie die Entscheidung revidieren können? In welchen Bereichen braucht es noch mehr Reflexion, Nachdenken und Konzentration von Ihnen, um Handlungen erfolgreich umsetzen zu können?